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Energiewende

Energiewende – alternativlos

Durch die gewollte und alternativlose „Energiewende“, – weg von fossiler Energie hin zu erneuerbaren Energien –  entsteht der Bedarf an einem Aus- und Umbau des Stromnetzes. Dies ist unstrittig. Die Höhe des Bedarfes sowie die Planung und (zentrale) Strategie des Aus- und Umbaus sind jedoch politisch sehr umstritten.

Die Herausforderung: Mehr Strom für alle

Nach den Prognosen der Energiewirtschaft wird sich der Strombedarf in den kommenden Jahren bis 2030 erhöhen. Neben riesigen Rechenzentren sind hier v.a. die Elektromobilität (z.B. E-Autos) und die Heizenergie (z.B. Wärmepumpen) zu nennen. Aber: Zentrale Stromerzeugungsstandorte wie z.B. Kohle- und Atomkraftwerke müssen abgeschaltet werden, dafür produzieren neue Zentren wie riesige OffShore-Windparks in der Nordsee eine große Menge erneuerbarer Energie. Zudem gibt es schon seit vielen Jahren den Ausbau an Land durch viele dezentrale, regionale Stromerzeugungseinheiten wie z.B. Windenergiekraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen. Große Industriebetriebe setzen mehr und mehr auf erneuerbare Energien bzw. auf den Einsatz von „grünem Wasserstoff“ , d.h. Wasserstoff, der mittels erneuerbarer Energien produziert wurde.

Was im Moment passiert

Die geplante Hochspannungsleitung durch das Münsterland ist keine reine Versorgungsleitung, sondern eine von vielen Transportleitungen. Allein mit ihr soll die Übertragungskapazität laut Auskunft des Netzbetreibers vervierfacht werden! Ist eine derartige Dimension des Netzausbaus im Münsterland sinnvoll und einfach zu akzeptieren, weil es nicht anders geht?

Unstrittig ist: Die zukünftige Stromerzeugung mit regenerativen Energien erfordert auch eine alternative Strategie beim Stromtransport. Zu diskutieren ist aber die derzeitige zentrale Strategie des Netzausbaus: Warum muss der OffShore-Strom aufwendig durch das ganze Land transportiert werden? Warum wird ganz Deutschland mit einem Netz von hoch dimensionierten Stromtrassen überzogen? Warum wird der Strom, der vor Ort verbraucht wird, nicht regional produziert?

Alte Muster, gleiche Logik: Die Strategie der Energiekonzerne

Die gegenwärtige Strategie des Netzausbaus folgt der Logik der großen Energiekonzerne: Der Strom, der in konzerneigenen Zentren wie z.B. OffShore-Windparks produziert wird, muss schnell und grenzenlos durch das ganze Land transportiert werden können. Kurz gesagt: Der Netzausbau orientiert sich nicht allein am Versorgungsbedarf, sondern an konzentriert produzierten Angebotsmengen zu Spitzenzeiten. Denn Strom ist auch und vor allem dies: eine Ware. Deutschland entwickelt sich zu einem Stromtransportland. Die geplanten Stromautobahnen (wie z.B. Korridor B Südlink, Südostlink, Ultranet, aber auch zahlreiche Wechselstromleitungen) dienen dem Handel mit Strom im In- und Ausland. Im Hintergrund steht das Bild des europäischen „Supergrid“: Ein weiträumiges Übertragungsnetz, in der Regel transkontinental oder multinational, das den Handel großer Strommengen über große Entfernungen ermöglichen soll.

Diese Leitungen dienen also nicht allein der regionalen Versorgungssicherheit, sondern dem weiträumigen Stromhandel. Sie schaffen neue wirtschaftliche Abhängigkeiten von großen Konzernen, führen zu neuen riesig dimensionierten, zentralen Stromproduktionsprojekten (wie z.B. weitere OffShore Anlagen im Wattenmeer!) oder ermöglichen den Transport von  „billigem“ Strom durch mit langen Laufzeiten gesicherten Atomkraftwerken im Ausland (z.B. Frankreich). Sie verhindern so eine eigentliche Wende in der Energiepolitik.

Wir können auch anders

Wir denken: Eine derart gestaltete Energiewende ist keine wirkliche „Wende“ sondern nur das Weitermachen der gleichen Akteure auf dem Strommarkt – mit anderen Mitteln und den gleichen (Gewinn-)Zielen.

Energiewende und Stromversorgung kann auch anders zusammengedacht werden und damit unabhängiger von Energiekonzernen: dezentral und bürger*innen-näher. Überall entstehen zur Zeit viele regionale, dezentrale Initiativen und Ideen, die Energieversorgung alternativ zu gestalten (auch in unserer Nähe!):
Klimakommune Saerbeck: Hier wird ein beispielhaftes, ausgezeichnetes Konzept für lokalen Klimaschutz und Klimaanpassung entwickelt. Im Saerbecker Bioenergiepark wird aus Sonne, Wind und Biomasse grüner Strom erzeugt und zwar die doppelte Menge des Strombedarfs in der Gemeinde Saerbeck. Addiert man alle regenerativen Quellen in Saerbeck (Photovoltaik auf privaten und öffentlichen Gebäuden, Windpark Sinningen etc), kommt man auf eine Quote von ca. 400 Prozent. Damit wurde der C02-Fußabdruck jedes Saerbeckers jetzt schon auf 5,5 Tonnen pro Jahr gesenkt.
 – die Gemeinde Walstedde in Drensteinfurt hat gerade eine Genossenschaft gegründet, um den gesamten Wärmebedarf des Dorfes vor Ort zu produzieren;
– der LW-Verlag Münster-Hiltrup produziert bereits 20% des eigenen Jahresbedarfes selber [https://www.wn.de/muenster/stadtteile/hiltrup/landwirtschaftsverlag-nachhaltig-sonnenernte-auf-dem-eigenen-parkplatz-2723628?pid=true];
– auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Westfalen in Ahlen soll ein Solarpark entstehen [https://www.wn.de/muensterland/kreis-warendorf/ahlen/zeche-holt-sich-die-energie-aus-der-sonne-2721672?pid=true]
-die Veka AG, zweitgrößter Arbeitgeber in Sendenhorst, hat bereits seit 2001 ein firmeneigenes Management mit verschiedenen Säulen: effizientere Produktion, eigene Stromproduktion, Nachhaltigkeitskonzept;
– ein Beispiel für dezentrale Energieversorgung im Ballungsraum: die Möckernkiez-Siedlung mitten in Berlin. Für Wärme und Strom sorgen im Möckernkiez unter anderem ein Blockheizkraftwerk (BHKW) und fünf Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen).[https://www.moeckernkiez.de/quartier-moeckernkiez/wohnen/projekt/]
– bereits 2018 gab es 81 energieautarke Dörfer in Deutschland, weitere 150 waren bzw. sind in Planung.

Technisch sind eine dezentrale Energieproduktion sowie effizientes Energiemanagement in Industrie und Wohnungsbau längst möglich. Einfach machen, lautet das Motto!

Wir fordern jetzt:

Was wir nun benötigen ist eine dezentrale, regionale Strategie der Stromversorgung („zellulärer Ansatz“). Seit Jahren fordern Institutionen in Deutschland wie der BUND e.V. ein Umdenken in der Energiewende und dem damit verbundenen Stromnetzausbau. Energiewirtschaftliche Experten wie Prof. Dr. Jarass rechnen uns vor, dass es Alternativen zur jetzigen Strategie gibt, die wesentlich kostengünstiger sind. Schon Hermann Scheer, Wegbereiter des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz, forderte 2010 die Aufkündigung der politischen Protektion der Energiekonzerne : „Ein schneller Energiewechsel bedarf zahlreicher autonomer Akteure, die nicht warten wollen …“ (H. Scheer, Der energethische Imperativ, Kunstmann-Verlag, 27).

Eckdaten einer solchen alternativen Strategie der Umsetzung der alternativlosen Energiewende sind:

– Jetzt: Stromversorgung dezentral, regional organisieren. Ein regional produzierter Strom-Mix aus Windkraft, Photovoltaik, Bio-Masse gewährleistet die Versorgung. Dazu werden private und genossenschaftliche Initiativen zur Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien stärker gefördert und in das regionale Netz eingebunden. Nur das, was zu wenig an Strom da ist, wird von der nächstgrößeren Zelle geliefert („zellulärer Ansatz“). Der Netzausbau orientiert sich ausschließlich am regionalen Bedarf („Smart grids“).
–  Jetzt: Ausbau der Möglichkeiten, Strom zu speichern, um Netzschwankungen auszugleichen. Dezentrale Stromspeicher werden aufgebaut und netzdienlich eingesetzt.
– Jetzt: Umwandlung der OffShore-Windenergie in „grünen Wasserstoff“. Mit diesem Wasserstoff kann beispielsweise die energieintensive Industrie des Ruhrgebietes versorgt werden. Der Transport erfolgt über die Umwidmung des Gasleitungsnetzes.
– Jetzt: Reduzierung des Energieverbrauchs in allen Lebensbereichen (z.B. Wohnen, Bauen, Alltag). Alle gesellschaftlichen Kräfte, Wirtschaft und Kommunen setzen sich zusammen und werden gezielt unterstützt, die eigene Energiebilanz zu verbessern. Auch jede und jeder Einzelne ist gefordert, über den eigenen Energieverbauch nachzudenken. Was ist wirklich notwendig, und was ist einfach nur nice to have oder sogar purer „Luxus“?

Erst die Erhöhung der Strompreise hat hier tragischerweise zum Umdenken und Handeln geführt. Tragisch deswegen, weil die Erhöhung die Menschen, die sowieso zu wenig zum Leben haben, hart getroffen hat. Was wir brauchen, ist eine konsequente, sozial gerechte Umorientierung.

Energiesparen bzw. Energie effizient einsetzen ist das denkbar einfachste und kostengünstigste Mittel einer Energiewende. Wichtig ist: Weniger Stromverbrauch bedeutet weniger Investitionen in den Umbau des Energiesystems, z.B. weniger Verteilnetze. Das bekannte Fraunhofer Institut rechnet uns in seiner Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ vor, dass wir so viel Geld sparen können, welches wir gesellschaftlich an anderer Stelle dringend benötigen!

Fazit
Wir sind für die Energiewende. Aber: Wir sind gegen die geplante höchstdimensionierte Hochspannungs-Freileitung Westerkappeln-Gersteinwerk. Denn: Wir können viel besser.